Die Geschichte des Single’s Day beginnt 1993 an der Universität in Nanjing (China). Die Studenten riefen den Tag als Gegenstück zum Valentinstag ins Leben. Der Valentinstag ist bekanntlich der Tag der Verliebten, findet am 14. Februar statt und geht auf den heiligen Valentin zurück. Ursprünglich wurde der Single’s Day nur von Männern begangen – das Zelebrieren der eigenen Freiheit und Unabhängigkeit war offensichtlich wichtiger als das Kennenlernen von möglichen Partnerinnen und Partnern. Die Singles der ersten Stunde haben sich am 11.11. gegenseitig beschenkt; eine wichtige Voraussetzung für die weitere Geschichte des Single’s Day. Der 11.11. ist der einzige Tag im Jahr mit vier aufeinanderfolgenden Einsen. Die Erfinder des Single’s Day haben sich ganz bewusst für dieses Datum entschieden: Die Zahl 1 (一 yī) steht im Chinesischen für Einheit, Neuanfang und Unabhängigkeit. Sie kann aber auch Einsamkeit und Singledasein symbolisieren.
Nach dem Studium haben einige Männer den Brauch weitergeführt. Durch das Internet verbreiteten sich die Bilder dieser Partys im ganzen Land und so fanden am 11.11. von Jahr zu Jahr immer mehr Karaoke-Veranstaltungen und Partys statt, an denen sich Singles treffen konnten. Einige Teilnehmer:innen feierten weiterhin ihre Unabhängigkeit. Andere gingen gezielt hin, um jemanden kennenzulernen und sich zu verlieben. Denn längst feierten auch Studentinnen den Single’s Day und mit der Zeit auch alle anderen Singles in China. Verschiedene Gastrobetriebe erkannten das Potenzial dieser Partys und lockten die Singles mit Spezialangeboten in ihre Restaurants. Heute bieten verschiedene chinesische Universitäten spezielle Programme an, bei denen Alleinstehende gemeinsam feiern können.
Der Single’s Day geht durch die Decke
Auch Jack Ma, der Gründer der chinesischen Handelsplattform Alibaba, erkannte das Potenzial des Single’s Day. Er sorgte 2009 für eine dramatische Wende in der Geschichte des Single’s Day. Vermutlich wollte er dem amerikanischen Black Friday etwas entgegensetzen. Auf jeden Fall forderte er die chinesischen Single’s auf, Geschenke für andere Singles auf Alibaba zu bestellen. Dazu stellte er am 11.11. zahlreiche Produkte zu besonders attraktiven Konditionen online. Heute geben die Menschen in China am 11. November mehr Geld aus, als die Amerikaner:innen und die Europäer:innen an den fünf (!) umsatzstärksten Tagen der Black-Friday-Woche zusammen! Und längst geht es am Single’s Day nicht mehr nur um Geschenke für andere Singles. Sondern ‑ähnlich wie beim Black Friday- um Schnäppchen aller Art. Die Rabatte entsprechen häufig der Zahl 11 oder einem Vielfachen dieser Zahl. Also 11, 22 oder gar 33 Prozent.
2016 begann das nächste Kapitel in der Geschichte des Single’s Day : Alibaba startete «Taobao Live», ein Live-Shopping-Format. Live-Shopping sieht auf den ersten Blick wie Teleshopping aus: Verschiedene Moderatorinnen und Moderatoren präsentieren Produkte vor der Kamera und animieren das Publikum zum Kauf. Die Livestreams laufen aber nicht über TV-Sender, sondern über Apps, Social-Media-Kanäle und Webseiten. Über einen Chat können interessierte Käufer:innen mit den Moderatorinnen und Moderatoren interagieren. So ist es möglich, Fragen zu den Produkten zu stellen und sich spezifische Funktionen vorführen zu lassen. «Taobao Live» kombiniert die Vorteile von Onlineshopping und dem stationären Einkauf: Die Kundinnen und Kunden können bequem von zu Hause aus bestellen, haben aber trotzdem das Gefühl, mit einer Verkaufsperson zu interagieren.
Die Unterschiede zwischen Single’s Day und Black Friday
Der Singles Day und der Black Friday sind beides Tage, an denen sich preisbewusste Menschen verschiedene Schnäppchen ergattern können. Trotzdem gibt es zwischen den beiden Tagen ein paar Unterschiede. Erstens: Der Black Friday stammt aus den USA. Seine Wurzeln reichen bis in die 30er Jahre des letzten Jahrtausends zurück. Der Single’s Day stammt aus China. Und ist eine relativ neuzeitliche Erfindung. Seine Wurzeln reichen lediglich bis in die 90er Jahre des letzten Jahrhunderts zurück. Zweitens: Black Friday ist der Tag nach Thanksgiving. Weil Thanksgiving immer am vierten Donnerstag im November gefeiert wird, kann das Datum des Black Friday variieren. Der Single’s Day findet immer am 11.11. statt – egal, um welchen Wochentag es sich handelt. Schliesslich haben Online-Shops an 7 Tagen in der Woche und rund um die Uhr geöffnet. Drittens: Der Black Friday entstand zu einer Zeit, als es noch kein Internet gab. Und noch heute spielt der stationäre Handel am Black Friday eine wichtige Rolle. Ganz anders der Single Day: Er findet nur online statt.
In der Schweiz machen die Händler am Singles Day erst ½ so viel Umsatz wie am Black Friday. Die Chancen stehen aber gut, dass der Single’s Day dem Black Friday auch bei uns mittelfristig den Rang abläuft. Der Grund ist einfach: Wer am 11. November bereits eingekauft hat, muss es am Black Friday nicht mehr tun. Mit anderen Worten: die meisten Händler können es sich nicht leisten, am Single’s Day nicht dabei zu sein und dafür am Black Friday auf ihren Waren sitzen zu bleiben. Das freut die Konsumentinnen und Konsumenten: Sie haben in der Vorweihnachtszeit gleich zweimal die Chance, ein paar tolle Schnäppchen zu machen. Zu den Schweizer Online-Shops, die am Single’s Day mit attraktiven Angeboten aufwarten, gehören auch gifts.ch, sweets.ch und teas.ch.
Global betrachtet hat der Singles Day den Black Friday längst überholt und weit hinter sich gelassen: 2022 konnte man am Single’s Day schätzungsweise 17 Millionen (!) Produkte vergünstigt bestellen. Diese Chance haben über 900 Millionen Chinesinnen und Chinesen genutzt. Das entspricht 64 % der chinesischen Bevölkerung. 2020 verzeichnete Alibaba zu Spitzenzeiten bis zu 583’000 Bestellungen pro Sekunde, und die chinesischen Logistikunternehmen transportierten pro Tag im Schnitt 389 Millionen Pakete.