Die Geschichte von PEZ beginnt 1897, dem Geburtsjahr des oberösterreichischen Unternehmers Eduard Haas III. Er erfand PEZ, als er 30 Jahre alt war. Also 1927. Und zwar in Traun, in der Nähe von Graz. Sein Grossvater, Eduard Haas I., war Arzt und verschrieb seinen Patientinnen und Patienten ein selbst hergestelltes Backtriebmittel. Viele Zeitgenossen litten nämlich damals nach dem Genuss von Hefe unter Verdauungsproblemen. Haas verordnete ihnen als Alternative zur schwer verdaulichen Hefe sein leicht verdauliches Backpulver. Seine Patientinnen und Patienten waren begeistert, wie luftig der Teig mit dem ärztlich verordneten Backpulver wurde. Doch Eduard Haas I. hatte anderes im Kopf, als sein Backpulver nach allen Regeln der Kunst zu vermarkten. Erst sein Enkel, Eduard Haas III., erkannte das Potenzial des Wunderpulvers. Er lancierte eine Fertigbackmischung namens «Hasin» und verkaufte das Backpulver samt Rezeptbüchlein. Die Werbekampagne für Hasin schlug ein wie eine Bombe und schon bald war ganz Österreich verrückt nach Hasin. Sein Vater, Eduard Haas II., erfand zuvor das Abpacken von Waren in vorgefertigten Mengen und machte damit den Erfolg von Hasin überhaupt erst möglich. Noch heute produziert die Eduard Haas Austria GmbH im österreichischen Traun Back‑, Dessert‑, Einkoch- und Würzartikel.
Um sie bei Laune zu halten, schenkte Eduard Haas III. seinen Kundinnen und Kunden jeweils ein paar selbstgemachte Zucker-Briketts, über die er ein wenig Pfefferminzöl träufelte. Die Kunden waren so begeistert von diesem köstlichen Werbegeschenk, dass Haas beschloss, neben Backpulver auch Pfefferminzbonbons herzustellen und zu verkaufen. Zu diesem Zweck steckte er sie in edle Döschen und nannte sie PEZ. Der Name setzt sich aus dem ersten, dem mittleren und dem letzten Buchstaben des Wortes «Pfefferminz» zusammen. PEZ-Bonbons sehen auch heute noch fast genauso aus wie damals. PEZ wurde zu einem regionalen Erfolg. Haas leckte Blut und setzte alles daran, mehr Menschen auf seine Zuckerl aufmerksam zu machen. Dazu probierte er verschiedene Werbeversprechen aus. Erst pries er PEZ als «Kraftspender und Durstlöscher für müde Wanderer» an. Dann empfahl er PEZ als Prophylaxe gegen Erkältungen. Zu guter Letzt sah er PEZ als Bonbon für die gehobene Gesellschaft. Dementsprechend lautete der Werbeslogan «Das Mint der vornehmen Welt». Der Durchbruch gelang erst, als Haas PEZ als gesunde Alternative zu ungesunden Zigaretten anpries. Schliesslich entstammte er einer Arztfamilie und wusste, wie schädlich Rauchen ist. Haas wollte den Menschen, die sich anstelle einer Zigarette etwas Gescheiteres in den Mund stecken wollten, eine erfrischende Alternative bieten. Denn im Unterschied zu einer Zigarette, die einen üblen Mundgeruch nach sich zieht, sorgt PEZ für einen angenehm frischen Atem. Diesmal ging die Strategie auf.
1949 – das goldene Feuerzeug
Die kleinen Blechdosen, in denen er PEZ verkaufte, waren zwar schön und praktisch. Aber Haas hatte schon früh erkannt, dass die Verpackung genauso wichtig ist wie der Inhalt – wenn nicht sogar noch wichtiger. Und so entwickelte er schon früh auffällige Automaten, die in Deutschland und Österreich schon bald zum Strassenbild gehörten. Den ersten stellte PEZ am Wiener Westbahnhof auf. Die Automaten verschwanden erst, als der Euro die Mark ablöste. Heute sind die Automaten ‑ähnlich wie viele PEZ-Spender- begehrte Sammelobjekte.
1949 beauftragte Haas den Erfinder Oskar Uxa, eine neue Darreichungsform für PEZ zu entwickeln. Uxa liess sich vom Versprechen von PEZ, «die gesunde Alternative zur Zigarette», leiten und entwickelte einen Spender in Form eines goldenen Feuerzeugs. Drückte man oben auf den Knopf, kam ein PEZ Zuckerl heraus. Und nicht etwa eine Flamme, wie viele ungläubige Zeitgenossen damals dachten. Der Spender wurde auf der Wiener Herbstmesse erstmals vorgestellt und ging sogleich durch die Decke. Hübscher Nebeneffekt: Dank des neuen Spenders konnte man PEZ so einfach und so hygienisch teilen wie kein anderes Bonbon. Pardon Zuckerl. Viel zum Erfolg beigetragen hat der geniale Slogan «Rauchen verboten, PEZen erlaubt!». Würde PEZ auch heute noch in kleinen Blechdosen verkauft – die österreichischen Zuckerl wären wohl nur halb so begehrt.
1952 PEZ erobert Amerika
Angestachelt durch den grossen Erfolg in Europa, machte sich Haas daran, den amerikanischen Markt zu erobern. 1953 gründete er in New York «PEZ USA». Doch die Strategie, PEZ als gesunde Alternative zum schädlichen Rauchen zu positionieren, floppte im Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Doch Haas gab nicht auf. Bei Messeauftritten stellte er fest, dass vor allem Kinder begeistert von PEZ waren. Haas rang mit sich. Denn eigentlich wollte er seine PEZ Erwachsenen verkaufen. Doch Haas wollte auch erfolgreich sein. Und so begann er mit der Herstellung von PEZ-Zuckerl mit Fruchtgeschmack: Die neuen PEZ schmeckten herrlich fruchtig nach Himbeere, Kirsche, Orange und Zitrone. Sogar PEZ mit Colageschmack soll es gegeben haben.
Ein Feuerzeug als Dispenser schien Haas für Kinder dann aber doch eher ungeeignet. So kam er auf die Idee, Spender in Form von Robotern und Weihnachtsmännern zu produzieren. Auch diesmal funktionierte der Trick, den Inhalt zu einem grossen Teil über die Verpackung zu verkaufen. Einziges Problem: Die Herstellung der Spender war extrem aufwändig.
1962 Begegnung mit Walt Disney
Auf einer Party lernte Haas Walt Disney kennen. Die beiden kamen ins Gespräch. Haas schlug Disney vor, seinen Spendern Disney-Figuren als Kopf aufzusetzen. Das Prinzip war das gleiche wie beim österreichischen Feuerzeug: Drückte man den Kopf nach hinten, gab der Spender ein Zuckerl frei. Weil Haas seinen Spendern nur noch einen Kopf aufsetzen und nicht mehr die ganze Figur von A bis Z gestalten musste, waren die Produktionskosten deutlich geringer. Walt Disney war begeistert und schloss mit PEZ einen der allerersten Lizenzverträge überhaupt ab. Der Rest ist eine der erfolgreichsten Geschichten, die auf dem Süssigkeitenmarkt jemals geschrieben wurden.
Die Bonbons (oder die Spender?) gingen in den USA dermassen durch die Decke, dass Haas seine Zuckerl vor Ort produzieren wollte. 1973 eröffnete PEZ ein eigenes Werk in Orange, Connecticut. Ab den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts machte sich Haas daran, einen weiteren Grossmarkt zu erschliessen. Er expandierte nach Japan, wo er schon bald ähnliche Erfolge feierte wie in den USA. Die Sammelwut und der Sammelkult rund um die PEZ-Figuren sind bis heute ungebrochen. Die Form der Spender und die Form der Bonbons sind praktisch unverändert. Entscheidend für den Erfolg von PEZ sind jedoch die Figuren. Und hier ist PEZ stets am Puls der Zeit. Was immer gerade bei den Kindern im Alter von drei bis acht Jahren angesagt ist: PEZ hat den passenden Spender dazu!
1965 – die legendären PEZ-Ladies
PEZ wurden von Beginn weg von PEZ Ladies beworben. In den 50er und 60er Jahren erlangten sie Kultstatus. Besonders die vom Grafiker Gerhard Brause gestalteten Werbeplakate sind heiss begehrte Sammelobjekte. Heute produziert PEZ 5 Milliarden Zuckerl und mehr als 70 Millionen Spender pro Jahr. In den USA hat PEZ eine eigene Bonbonfabrik samt angrenzendem Museum. Europa trägt lediglich 30 % zum jährlichen Umsatz von 100 Millionen Euro bei. Bis heute arbeitet PEZ eng mit Disney zusammen. Dabei geniesst PEZ ein Exklusivrecht: Kein anderer Hersteller kann Bonbons in einem Spender mit Comicfigur anbieten. Mittlerweile reissen sich die Produzenten von Kinderfiguren darum, einen eigenen PEZ-Spender zu bekommen. Denn erst, wenn eine Kinderfigur einen eigenen PEZ-Spender hat, ist sie wirklich bekannt und erfolgreich.
PEZ-Spender kommen in verschiedenen Filmen, Serien und TV-Shows vor. Den bis heute grössten Auftritt hatte PEZ im Film «E.T.» von Steven Spielberg. Ebenfalls viel Beachtung fand der riesige Hello-Kitty-PEZ-Spender im Marvel-Film «Ant-Man and the Wasp». Grundsätzlich wendet sich PEZ mit seinem Angebot an Kinder zwischen drei und acht Jahren. Allerdings finden sich unter den PEZ-Fans auch viele Erwachsene, die PEZ-Spender sammeln und sich über jedes neue Modell freuen, wie ein kleines Kind. Und die Plastikspender sind durchaus in der Lage, veritable Umsätze zu erzielen. Peter Linski, ein New Yorker Finanzanalyst, schenkte seinem Lebensgefährten ein paar PEZ-Spender. Die beiden nutzen die Spender als Dekoration in ihrer gemeinsamen Boutique. Was als Jux gedacht war, entwickelte sich in Rekordzeit zu einem Businessmodell. Denn die Kunden interessierten sich weit mehr für die PEZ-Spender als für alles andere. Preise von bis zu 3’500 Dollar sind keine Seltenheit. Das ist aber noch lange nicht der Höchstpreis, der je für einen PEZ-Spender bezahlt wurde. Den sicherte sich der legendäre «Astronaut B», der 1982 für die Weltausstellung in Knoxville im US-Bundesstaat Tennessee hergestellt wurde. Das Einzelstück wurde für sagenhafte 32.000 Euro verkauft!
1995 – was hat PEZ mit der Gründung von Ebay zu tun?
Angeblich soll sogar Ebay einzig und allein wegen PEZ entstanden sein. Der Gründer von Ebay, Pierre Omidyar, wollte mit Ebay lediglich seiner Frau einen Gefallen tun. Sie sammelte nämlich leidenschaftlich PEZ-Spender und suchte nach einer Möglichkeit, wie sie mit anderen Sammler:innen auf einfache Art und Weise Geschäfte machen konnte. Ob die Geschichte stimmt oder lediglich von einer PR-Agentur zur Lancierung von Ebay erfunden wurde, spielt keine grosse Rolle. Glaubwürdig ist sie allemal. Schliesslich werden auf Ebay Tag für Tag riesige Mengen von PEZ-Spendern gehandelt.
2011 PEZ Unikat zur Hochzeit von William und Kate
Zur Hochzeit von Prinz William und Kate Middleton stellte PEZ ein Unikat des Hochzeitspaares her. Es wurde für € 9’200 versteigert. Bis heute hat PEZ über 500 verschiedene Spender lanciert. Darunter sind Klassiker wie Ariel, Aschenputtel, Bambi, Donald Duck, Hello Kitty, Lightning McQueen, Micky Maus, Schneewittchen, Spiderman und Winnie Puh. Einige gibt’s auch im Doppelpack: Das PEZ Brautpaar gehört zu den beliebtesten Hochzeitsgeschenken überhaupt und wird jedes Jahr zu Tausenden verschenkt und verschickt. Heute werden die PEZ Bonbons in Ungarn und in den USA produziert. Die Spender in Ungarn und China. Apropos China. Das ist der nächste Markt, den sich die österreichischen Zuckerl-Fabrikanten vorgenommen haben. Die Expansion nach China wird PEZ wohl nochmals einen gewaltigen Wachstumsschub bescheren. Denn die Chancen stehen gut, dass die chinesischen Kids genauso wild nach den Spendern sind wie die Kinder in Europa, Japan und den USA. Demzufolge wird die Geschichte von PEZ wohl noch ein paar weiter Erfolgskapitel bekommen.